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Schräge Engel – die Geschichte von Zara von den Weihnachtselfen

Schräge Engel – die Geschichte von Zara von den Weihnachtselfen

Wenn man zu lange auf Straßen und Bildschirme schaut, könnte man denken, der Mulm wäre inzwischen überall. In diesem kleinen Stück der großen Geschichte vom Viereinhalbten Advent lernt Zara etwas über das Traurigsein und welche Haarfarben dagegen helfen können

Zara drückte dem Engel ihren Zeigefinger ins Gesicht. Sie schmierte durch die frische Farbe. Das Pausbackengesicht bekam einen Ausdruck, den sie nicht genau deuten konnte. Entsetzt? Außer sich? Todmüde? Mit knappen Strichen von elfenhafter Leichtigkeit gab sie ihm noch aufgerissene Augen dazu.

Sie stellte den hölzernen Lichterengel vor sich, stützte das Kinn auf die Hände und sah ihn an.

„Du guckst vielleicht komisch. Was wohl in deinem Holzkopf vor sich geht?“

Sie hielt inne, weil etwas gegen die Tür der Werkstatt polterte. Draußen war der alljährliche Wettkampf in vollem Gang. Eigentlich hätte Zara lange fertig sein müssen.

„Ich hatte mal einen Freund, der glaubt, dass ihr schon immer in eurem Holz wohnt. Er behauptet, dass er einen Holzscheit nur lang genug ansehen muss, dann erkennt er, wer dort drin steckt und wie er euch zum Vorschein bringen kann. Leider ist er nicht mehr da.“

Sie biss sich auf die Unterlippe und wartete, ob der Engel dazu etwas zu sagen hatte. Hatte er nicht.

„Also? Welches Gesicht willst du?“ Sie starrte den Engel an, als wollte sie ihm zwei Löcher in den Bauch bohren.

Die anderen Elfen des Weihnachtsdorfs waren schon Stunden damit beschäftigt, zauberhafte Weihnachtsgeschenke für die Zwerge vorzubereiten. Die hatten bereits im letzten Jahr gewonnen und durften bestimmen, welche Gewürze in den Weihnachtspunsch kamen. Eigentlich war es Ehrensache, dass heute das Team Elfen den Sieg einfuhr. Nur Zara war nicht bei der Sache. Sie hinkte weit hinter ihren Aufgaben her und musste noch Dutzende Gesichter fertig malen, bevor sie beim Wettkampf helfen konnte.

Es war sehr außergewöhnlich, dass ein Weihnachtsgeist sich bei der Arbeit verspätete. Hätte Zara darüber nachgedacht, wäre ihr aufgefallen, dass so etwas in ihrem ganzen Leben noch nie vorgekommen war. Zara patschte einem Nussknacker einen dicken rosa Klecks auf die Mütze und machte ein Blümchen daraus.

„Ob Zwerg Moll das auch im Holz gesehen hätte? Dass du ein rosa Blümchen auf deinem Hut haben willst?“ Ein Geräusch zwischen Grummeln und Seufzen kam über ihre Lippen, das für den zierlichen Elfenkörper viel zu groß klang. „Moll wüßte bestimmt, was ihr für Gesichter haben wollt. Aber er musste ja in die Stadt fahren und einfach dort bleiben. Deswegen müsst ihr eben das Gesicht nehmen, das ihr kriegt. Ob es euch passt oder nicht.“

Es pochte wieder an der Tür. Zara ging in Deckung, falls es schneeballwerfende Zwerge waren. Aber es war der Chef persönlich, der sich nach dem Stand der Dinge erkundigen wollte. Zara begann, sich für die Verspätung zu entschuldigen. Aber den Chef interessierte das gar nicht. Er schaute sich nur die fertigen Figuren an, die auf dem Regal zum Trocknen standen.

„Das sind die Letzten?“

„Ja. Ich bin fast fertig.“ Sie ließ den Blick über die Arbeiten der letzten Stunden schweifen. „So mehr oder weniger.“

„Das ist ein ungewöhnlicher Stil.“ Sein Blick blieb an einem Engel mit feuerroten Flügeln hängen. „Was ist mit ihren Haaren passiert? Das sind doch Haare, oder?“

Zara stellte sich neben dem Chef auf Zehenspitzen und beäugte den Engel oben im Regal. Sie konnte sich beim besten Willen nicht erinnern, warum sie ihn so angemalt hatte. Die Haare waren grün. Bestimmt waren es Haare. Was sollte ein Engel sonst auf dem Kopf haben? Sie ließ die Schultern hängen.

„Muss ich alles nochmal machen?“

Dann seufzte sie noch lauter als vorher und schniefte in den kuschligen Pelzmantel, in den sich der Chef gehüllt hatte, obwohl es eigentlich gar nicht richtig frostig war.

„Immer langsam.“ Er setzte sich auf einen halben Baumstamm an der Werkstattwand und machte aus einer Mantelfalte ein Kissen für Zara. „Was ist denn eigentlich los?“

Da erzählte die kleine Elfe, unterbrochen von Schniefen, Seufzen und gelegentlichem Schluchzen.

„Ich kann es nicht mehr. Es klappt einfach nicht. Ich kann keine Gesichter malen. Immer, wenn ich es versuche, wird sowas draus. Ich versuche doch, alles richtig zu machen. Aber es passiert wie von allein und schon ist die nächste Figur verdorben.“

„Du findest, dass die Figuren verdorben sind? Und es passiert wie von allein? Wer hat denn den Pinsel geführt und die Farben ausgesucht?“

„Ich.“

„Und woran hast du dabei gedacht?“

War ja wieder klar, dass der Chef die richtigen Fragen stellt. Das war sein Spezialgebiet.

„An Moll. Und alles, was verkehrt ist.“

Der Chef antwortete nicht und wartete. Zara war noch nicht fertig.

„Warum musste er unbedingt in die Städte fahren? Und einfach dort bleiben? Grad hatten wir zusammen Punsch getrunken. Ich konnte ihm gar nicht sagen, dass ich das sehr schön fand! Und jetzt ist er einfach weg.“ Sie musste noch lauter schniefen. „Was hat er sich dabei gedacht? Wer soll jetzt ins Holz sehen und erkennen, was darin für Gesichter stecken?“

Der Chef reichte ihr ein Taschentuch und hörte weiter zu.

„Wozu machen wir das hier überhaupt? Die Menschen wollen ja sowieso keine Nussknacker mehr. Du glaubst, dass wissen wir nicht. Aber wir sind doch nicht blöd. Wer spielt denn heute noch mit Holzfiguren? Wir sollten wir eine App draus machen. Die könnten sich die Leute einfach jedes Jahr zu Weihnachten runterladen. Alles ist anders als früher. Es ist so viel verkehrt. Sogar der Winter. Nicht mal hier bei uns wird es richtig kalt.“

Zara machte eine kleine Pause, um zu sehen, ob sie nicht zu viel jammerte. Aber der Chef war so aufmerksam wie immer.

„Ich hab auch von dem Mulm gehört, der inzwischen überall in den Städten liegt. Ich hab manchmal Angst, dass Moll nie wieder kommt, aber dafür kommt der Mulm hierher.“

Der Chef nickte. Er hatte den Engel mit den grünen Haaren in der Hand, obwohl Zara gar nicht gesehen hatte, dass er ihn vom Regal genommen hatte.

„Ich glaube, wenn der Mulm kommt, hätte ich gern so einen Engel in meiner Nähe.“

Gemeinsam schauten sie dem Engel ins hölzerne Gesicht. Das ewig andächtige Lächeln war durch Zaras Ausrutscher mit dem Pinsel auf der einen Seite nach oben gezogen. Jetzt trug er einen grimmigen Ausdruck, der überraschend gut zu den grünen Haaren und den flammenroten Flügeln passte.

„Vielleicht ist Moll gar nicht der einzige Weihnachtsgeist mit der Gabe, ins Innere der Dinge zu schauen? Vielleicht hast du ja ganz genau die Gesichter gemalt, die sich die Menschen heute von ihren Engeln wünschen.“

„Meinst du wirklich?“

Der Chef schaute den Engel noch einmal genau an.

„Und noch was: Wenn du willst, fahre ich auf dem Weg bei Moll vorbei und richte ihm aus, dass du ihn grüßen lässt. Wer weiß. Irgendwann wird ihm die Stadt vielleicht doch zu viel. Dann hat er einen guten Grund, wieder nach Hause zu kommen.“

Zara wurde rot unter ihrer Mütze. Das stand ihr gut.

„Außerdem kann ich dich unmöglich länger hier arbeiten lassen, weil dieses Jahr die Elfen den Wettkampf gewinnen müssen. Ich will auf keinen Fall schon wieder Zwergenpunsch zum Fest!“

„Dann bin ich also fertig?“

„Ich sehe jedenfalls keinen Engel, der noch mehr Farbe nötig hätte.“

Zara strahlte, drückte dem Chef einen federleichten Kuss auf die Wange. Dann war sie im Flug zur Tür raus und mischte sich in die tobende Schneeballschlacht.

Der Chef klopfte sich den Mantel ab und betrachtete noch einmal die Reihen von Engeln und Nussknackern.

„Wirklich außergewöhnlich,“ murmelte er. „Sind das etwa Reißzähne?“

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27. Oktober 2020

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