Ideen auf den Kopf stellen

Bild - Welt auf den Kopf stellen

In den Erzählwerkstatt-Sessions entstehen immer wieder Ideen, mit denen niemand rechnet. Dieses Beispiel ist aus den ganz frühen Sessions 2016. Aber es war so cool, dass ich es immer noch gern erzähle.

Ideen auf den Kopf stellen

Zu den wertvollsten Fähigkeiten, die du mit der Erzählwerkstatt spielerisch üben kannst, gehört die Offenheit für Unerwartetes und Abwegiges. Das ist eine der Grundvoraussetzungen für das Finden von Wegen und Lösungen in jedem Bereich unseres Lebens. Im Erzählen sind wir absolut frei. Wenn nötig, können wir den gesamten Erzählkosmos auf den Kopf stellen. Genau das hat die Erzählerin in dieser Runde gemacht.

Die erste Karte war der Apfelbaum. Die Erzählerin ist mehr in Bildern als in Wörtern zu Hause. Sie malte also in einfachen Sätzen ein simples, starkes Bild von einem Baum auf einem Hügel, mit einem runden, reifen Apfel. Die Atmosphäre ließ sich greifen und fast schon schmecken, als ein Gnom die Welt betrat und Lust auf den Apfel bekam. Er kam aber nicht ran.

Das wäre jetzt ein schönes Problem gewesen, mit dem sich die Erzählerin noch lange beschäftigen konnte. Sie hatte aber gar keine Lust auf ein Problem und viel mehr auf Freude und Leichtigkeit. Die nächste Karte brachte sie darum auf eine ganz unerwartete Idee. Sie drehte mit einem kurzen Satz einmal die ganze Welt um.

Der Baum hing plötzlich kopfüber, wo vorher der Himmel war. Und der reife Apfel fiel dem Gnom nicht auf den Kopf, sondern in den Schoß.

Was mir daran so riesigen Spaß macht, ist der Mut, etwas zu tun, das auf den ersten Blick die Regeln verletzt und den logischen Zusammenhalt auf die Probe stellt. Geschichten halten das aus. Wir können auf ihren inneren Zusammenhang vertrauen und ihnen eine ganze Menge zumuten. Und es gibt nur eine Person, die entscheiden darf, welche Regeln in deinen Geschichten gelten: Das bist du.

Immer, wenn wir mit unserer Kreativität spielen, üben wir auch den Umgang mit dieser „Vollmacht“. Wir gestatten uns immer mehr, aus dem Vollen zu schöpfen und mit Genuss und Neugier ins Unerhörte und Unerwartete einzutauchen. So entstehen Ideen und Lösungen, die das Übliche weit hinter sich lassen können. Dafür stehen die Prinzipien „Such, was funkelt“ und „Einfach machen“.

Gleichzeitig soll die Wildheit unserer Ideen die erzählte Welt nicht ins Choes stürzen. Sonst verlieren wir den Bezug dazu. Statt dessen halten wir den Kontakt zu dem, was uns an unseren Ideen wichtig ist und was sie mit der greifbaren Wirklichkeit verbindet. So wie in dem Beispiel vom Apfelbaum: Der Apfel fällt schließlich immer noch genau so, wie er soll: Nach unten, in den Schoß des glücklichen Gnoms.

Für den bleibt dieses unerhörte Erlebnis auch nicht ohne Folgen. Aber davon erzähle ich vielleicht ein anderes Mal.

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